Re-Coding the City

INTRO:
Wie wollen wir selbstbestimmt und nachhaltig in der Stadt von morgen leben? Sind unsere Belange ausreichend geschützt in der Kommunalpolitik, im Spiel der Marktkräfte und dem kulturellen Diskurs? Ich meine nicht.
Wir sehen an vielen Beispielen, dass die direkte Aktion als Eingriff in das Stadtgeschehen wichtig ist. Diese Behauptung muss einerseits ethisch untermauert sein, andererseits müssen vorhandene Beispiele auf Nutzen und Potenzial geprüft werden.
Die Frage nach dem lebenswerten Stadtraum von morgen besprechen viele Gruppen: Stadtplaner und Betriebswirte, Zukunftsforscher und Visionäre, Soziologen und Sozialarbeiter, Eltern und Erzieher. Sie alle haben Modelle und Pläne für die Stadtzukunft mit Handlungsanweisungen und Impulsen.
Wie fügt sich die direkte Intervention kreativ und menschenfreundlich in dieses komplizierte Netzwerk von Interessen, Sachzwängen und Vorgaben ein?

Theorie und Diskurs

Eleanor Saitta “Playing with the built city”

Mit diesem Vortrag, den Eleanor Saitta 2009 auf dem 27C3 wurde mein Interesse an der Rückeroberung des Stadtraums erneut geweckt. Eleanor ist eine der sympathischen amerikanischen Linken, die beherzt die Gesellschaft teilt – in gut und böse, links und rechts, Kommunisten und Kapitalisten, und dann aus der entstehenden Reibung Funken schlägt. Liest sich gut, zeigt aber bei genauerer Analyse (und der Übertragung in ein Deutschland mit existierender Mittelschicht, die auch in Städten aktiv ist) durchaus Schwächen.
Aber dennoch ist der Text wichtig :
Ankündigungstext des Vortrags
PDF – Playing with the built city

Netzstimmen

Hacking the city kann aber auch bedeuten, der physikalischen Stadt mit mehr digitaler Infrastruktur, Entschuldigung: Feuer unter dem Hintern zu machen.
Read more about it

Das Recht auf Stadt

Ausgehend vom Kampf gegen die Gentrification (d.h. die kapitalgetriebene Hinausdrängung von sozial Schwachen und Verödung der Stadtviertel) gründete sich in Hamburg die Initiative “Recht auf Stadt”. Die Hamburger Initiative findet man unter www.rechtaufstadt.net

Eine lesenswerte theoretische Auseinandersetzung mit dieser Bewegung liest man bei den Blättern für deutsche und internationale Politik

Praxis

‘Politik hacken’ – Vortrag im Dezember 2011 beim 28C3 in Berlin

(dez 2011) Einen witzigen und schön anzusehenden Vortrag mit dem Titel “Politik hacken” geben Alexander Müller und Montserrat Graupenschläger auf dem 28C3 – dem ‘Chaos Communication Congress’ in Berlin. Zu sehen ist die knapp einstündige Veranstaltung bei youtube, die Anmerkungen dazu liest man im Veranstaltungsplan des Kongresses

Müller und Graupenschläger beschäftigen sich ‘nur in der Theorie!’ mit ‘Medienguerilla, Kommunikationsguerilla und ungewöhnlicher politischer Intervention’. Sie präsentieren zunächste eine kurze Begriffsdefinition und danach ein (stark vereinfachtes) Schaubild des poltischen Zusammenspiels, dessen Kommunikationslinien es zu ‘hacken’ gilt.
Danach werden diverse Medienhacks gezeigt, die es in deen vergangenen 24 Monaten in die Presse und damit in die großen Medien brachten: gefälschte Polizeibriefe, gehackte Anzeigenkampagnen, satirische Pro-Guttenberg-Demos, gefälschte Twitter-Accounts etc.

Die gezeigten Beispiele amüsieren durchaus, wichtiger aber ist das Intro. Hier zeigt sich, dass das hacken von Systemen einen theoretischen Unterbau benötigt, damit es nicht nur eine Spielart der Satire ist.
Und ebenfalls wichtig ist das Extro, wo die Vortragenden auf to-dos und not-to-dos hinweisen. Hier gilt unter anderem: – Gib der Aktion Zeit zu wirken – Habe einen Plan B und C in der Tasche – Verschwiegenheit ist essentiell – Guerilla will kein Land erobern, sondern den Feind verunsichern und blosstellen

Imho wäre es interessant darüber nachzudenken, wie es von diesen Aktionen dann zu einer ‘Verlebendigung’ des Protests kommen könnte, wie also die Guerilla-Attacke den Brückenkopf schafft für eine nachfolgende Stadtraumverbesserung.
Man wird sehen

Urban Invention Award – Berlin

(nov 2011) Die Stadt Berlin schreibt einen Preis aus für Projekte, die den urbanen Raum positiv verändert haben. Gewürdigt soll werden, was zwischen 2005 und 2010 “einen substantiellen Beitrag zur Neudefinition, Wiederbelebung und Aufwertung von innerstädtischen Quartieren” geleistet hat.

(addendum 2011: Die Entscheidung ist gefallen Ergebnisbroschüre als PDF ansehen )

Das soll aber eher für hochwertiges Bauen gelten, und weniger für spontane Graswurzel-Aktionen, die das Leben in den Städten durch den direkten Zugriff und die Planung durch Bewohner erfolgen.
Wie gut der Award dotiert wird, steht nirgends und das sagt ja auch etwas.

Letztlich ein gutes Thema: Interventionen im städtischen Raum. Das kam für mich als S21-Aktivist unter #http://twitter.com/Stadtplanung an. und dies wiederum lenkte den Blick auf diese Webseite http://www.urbanophil.net/index.php/allgemein/urban-intervention-award-2010/
Inzwischen (2011) sind die Preisträger ermittelt und auf der Webseite der Senatsverwaltung Berlin zu sehen oder gleich die Ergebnisbroschüre als PDF ansehen

Improvisierte Stadtmöbel

Spiegel Online bringt einen Bericht über improvisierte Stadtmöbel. Hierbei hat der Hamburger Oliver Schau, er ist MA für Produktdesign, das “Stadtmöbel DN_100” entwickelt. Dies sind gelbe Drainagerohre, die er um vorhandene Stadtmöbel (Fahrradständer, Pfeiler, etc.) wickelt und so mit minimalem Aufwand neue Aufenthaltsorte in der Stadt schafft. Das Design wurde vom HFBK Designpreis der Leinemann-Stiftung mit dem zweiten Preis ausgezeichnet.
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Der Bildband zum Thema vom Gestalten Verlag Berlin Urban Interventions: Personal Projects in Public Places

Ausstellung Folkwang-Museum – Hacking the City

Auch das Folkwang-Museum macht im Juli 2011 eine Ausstellung zum Thema “Hacking the City – Interventionen in urbanen und kommunikativen Räumen”.
Zur Ausstellung gibt es auch eine reich gefüllte Webseite www.hacking-the-city.org, deren verbleib im Cyberspace ausrücklich gelobt werden muss.

Die “Wired” berichtet über die Ausstellung und das Buch und schreibt:
“Cultural hacking” borrows the idea of reprogramming and alienating existing cultural codes. Appropriation, transcription, manipulation and revaluation are used to alter everyday situations, objects, rules or routines. A broad repertoire of subversive strategies and artistic forms has developed along these lines in the past years, affecting all art forms, genres and age groups.”

Hacking the City – Interventionen in urbanen und kommunikativen Räume
Edition Folkwang / Steidl -Herausgeber: Museum Folkwang – 288 Seiten, zahlreiche Abbildungen – Erste Auflage 2011 – ISBN 978-3-86930-187-7

Material und Quellen

Print

“Bringing the Stadt back in!” – Stadtpolitik in Österreich: Urban Politics – Die Stadt zwischen politischer Herausforderung und gesellschaftlicher Innovation (Taschenbuch) – von Johann Lefenda (Autor)

Politik verdankt der Stadt nicht nur ihren Namen, sondern auch ihre Entstehung und Entwicklung durch die Zeiten. Dennoch wurde die Stadtpolitik in Österreich bislang kaum erforscht und als “Kommunalpolitik” mit jener in Gemeinden gleichgestellt. Diese Arbeit beschreibt neben der engen Verbindung zwischen Stadt und Politik die österreichischen Statutarstädte anhand der Trias aus Polity, Policy und Politics. Anschließend werden internationale Ansätze der Urban Politics, darunter etwa Community Power und Urban Governance, dargestellt und in Hinblick auf ihre Anwendungschancen diskutiert. Die Stadt war und ist die Keimzelle des Politischen – auch heute bietet sie den Nährboden für gesellschaftliche und politische Innovationen.
Aus dem Inhalt: Von Polis zu Politik – Policy/Aufgaben der Stadtpolitik (u.a. Stadt-Umland-Problematik, Migration und Segregation, Verkehr) – Polity/Institutionen – Politics/Akteure und Entscheidungsprozesse – Theorieansätze der Urban Politics (u.a. Community Power, Urban Regime, Urban Governance) – Chancen und Grenzen innovativer Ansätze in Österreich.
Inhaltsverzeichnis als PDF

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Go.stop.act! Die Kunst des kreativen Straßenprotests. Geschichten – Aktionen – Ideen ; Amann, Marc – 229 Seiten; Trotzdem Verlag , 3. überarbeitete Aufl. 2011; ISBN 978-3-931786-50-2; € 20,-

Dass Straßenprotest wichtig ist und im Aufwind ist zeigt die Tatsache, dass das Buch go.stop.act! vom Tübinger Marc Amann inzwischen in der dritten Auflage erschienen ist. Tatsächlich findet man hier in 16 Kapiteln zu einzelnen Protestformen viel Erhellendes und Praktisches zum Protest auf der Straße. Zweifelsohne ist es eine stetig aktualisierte Fleißarbeit, die praktisch jede Protestform zur Sprache bringt. Ich könnte nicht genau sagen, was es ist, aber es reißt einen irgendwie trotzdem nicht vom Hocker. Dafür, dass die vorgestellten Protestformen Spaß machen sollen, haben die zweifarbig gedruckten Illustrationen etwas leicht depressives.
addendum: Es ist das Theaterhafte dieses Buches, das es so merkwürdig statisch macht. Die Bühne wird aufgeschlagen mit den drei Axiomen
1) Herkömmliche Demos sind doof.
2) Die bösen Kapitalisten pressen uns aus .
3) Wir müssen uns wehren.
In diesem Rahmen tauchen jetzt die einzelnen Widerstandsformen auf wie Theaternummern auf der Bühne. es fehlt m.E. die verortung: wogegen wird protestiert, wie legt man die Basis für gemeinschaftliches Handeln, welche Risken geht man ein, … ?
Aber kann man dies dem Buch überhaupt vorwerfen? Es will Straßenprotest zeigen und den zeigt es.
Dafür ist ein gutes pralles Buch, das vor allem eine Unmenge an (auch gedruckten) Links und Vernetzungsmöglichkeiten bietet und das mit dem begleitenden Blog auch angenehm aktuell bleibt.

online

Erstaunlicherweise eine Menge Zeux, wegen Zeitknappheit nur als Links.
Evtl. später mehr:


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