Medienethik könnte jedem Berufseinsteiger im “Arbeitsfeld Medien” helfen, weniger anfällig zu sein für Sachzwänge, für Schlampigkeit oder Berufsroutinen. Daraus ergäbe sich sicher ein besseres Standing und vermutlich interessantere Inhalte. Doch leider verwirklicht sich die medienethische Diskussion oft
a) in einer abstrakt-universitären Diskursebene, oder
b) in allgemein-staatsmännischen Reflexionen zu Anstand und Moral moderner Mediengesellschaften.
Wie könnte man Medienethik so vermitteln, dass sie einem (tendenziell jungen) Leser hilft, bei seinen Entscheidungen und Diskussionen, mitten im schmutzig-realen Leben? Wie und wo müsste man Medienethik anbieten, damit auch Neulinge und das (tri-)mediale Fußvolk durch diese Denkdisziplin Hilfe beim Entscheiden, beim Handeln und Publizieren erfahren?
Dieser Blog-Artikel ist ein Entwurf. Ein Umkreisen und Abzielen auf das fertige Essay bzw. Medienerzeugnis, das Medienethik erden soll. Ziel ist eine Verbindung von der hochfliegenden Theoriediskussion, hinunter zum Medienanfänger und Jungredakteur am Schreibtisch. Er soll sich in seiner Berufs- und Lebenswelt ethisch orientieren und publizieren können und als Kompass für Handlungen und Entscheidungen einen nützlichen Anschluss an die Richtlinien und Grundsätze der Medienethik erhalten.
Ziel ist, einer möglichst großen Gruppe von angehenden Medienmachern und -nutzern die Medienethik als Wissensgebiet und Anleitung zum guten Handeln, Urteilen und Reflektieren vorzustellen. Diese “Medienethik für Anfänger” wäre wohl am wirkungsvollsten als kleines Buch, das harmlos aussieht, aber ein Schwarzbrot des Denkens ist. Harmloses Aussehen: es müsste günstig sein, klein und dünn und Illustrationen bieten. Der Schwarzbrot-Charakter käme darüber, dass man Inhalte auf Papier ungemein verdichten kann und das Buch als Ankerpunkt nimmt, für eine Webpräsenz, die einzelne Buchkapitel und -themen sinnvoll erweitert.
Das Buch plus Webseite müsste um einen Leser werben, der ein mildes Desinteresse und einen nicht zu hohen Bildungsstand mitbringen würde. Zu diesem Zweck könnten die Kapitel mit Magazinüberschriften arbeiten, also griffig und ansprechend sein. Ein Praxisfall oder eine Problemstellung könnte ein Kapitel einleiten. Weblinks oder eine Webseite zum Buch könnten Wegweiser aus dem Buch hin zur aktuellen Debatte oder vertiefenden Darstellungen sein.
Dann wäre dafür zu sorgen, dass dieses Buch seinen Weg in die richtigen Klassenzimmer und Fortbildungseinrichtungen findet.
Das überall hineindrängende Internet sorgt für mehr Druck auf jeden Beteiligten im Mediaspace. Alles muss schneller, günstiger, schlanker, trimedialer sein. Dieser Druck senkt die Gewinnspannen der Publizisten, macht Menschen leichter erreichbar, fordert schnellere Reaktionszeiten und häufigere Aktualisierungen.
Damit soll nicht gesagt sein, dass die Online-Gesellschaft nur furchtbar ist. Aber es ist eine Tatsache, dass eine Gegebenheit A immer auch eine Bedingung B nach sich zieht.
Übersetzt in die Medienbranche heißt dies, dass aus dem schnelleren Service mit Sofort-Informationen für den Nutzer, eben auch ein höherer Zeit- und Leistungsdruck für den Anbieter folgt. Dieser Erfolgs- und Zeitdruck führt dazu, dass überall Redaktionen schrumpfen, dass die Arbeitsverdichtung zunimmt, dass schneller produziert werden muss. Eine gute Zusammenfassung dieser Entwicklung macht Dr. Bernhard Debatten in seinem Abstract Herausforderungen und ethische Standards für den Multi-Plattform Journalismus im World Wide Web
Dass dieser branchenweite Druck gerne ungebremst an Junioren, Einsteiger und Neulinge der Branche weitergegeben wird, liegt auf der Hand. Immer schon immer waren Lehrjahre keine Herrenjahre. Nur gab es zu den Zeiten, als dieses Sprichwort entstand, noch kein Internet.
((Beschreibung der Fortführung: mit der Verankerung des Themas auf die Tatsache, dass es im Gegensatz zum schrumpfenden Printe-Geschäft immer einfacher wird, Sender zu sein, selbst zu publizieren. Medienethik ist hier gefragt.
Weiterhin verlassen wir gerade das neoliberale Zeitalter: der Markt regelt eben doch nicht alles. Neue Theorien, die dem Menschen einen angemessenen Platz im Wirtschaftsleben zuweisen, sind gefragt. Wichtige Bausteine dafür könnte die Medienethik liefern, da moderne Demokratien eben Mediendemokratien sind ))
Nun ist eine praktische Ethik ist immer auch ein Unbequemes. Unbequem für den Anwender, der bestehende Moralvorstellungen überdenken muss, unbequem für “den laufenden Betrieb”, der durch einen ethisch anspruchsvollen Menschen daran gehindert wird, Widersprüche und Dissonanzen einfach abzuarbeiten.
Kann man Unbequemes erfolgreich vermitteln? Durchaus, denn das Ergebnis soll ja ein gelingender Selbstentwurf sein, auch ermöglicht durch mehr Diskussionsgeschick und ein wirksames Denk-Instrumentarium. Man steigt in der eigenen Achtung und setzt eigene Positionen eher durch. Dazu käme ein Erkenntnisgewinn, wenn man die zwei Begriffe “Medien” und “Ethik” als historische Entwicklung vorstellt. Also in einer Kurzzusammenfassung zeigt, wie wir zu heutigen privat-wirtschaftlich-politischen Mediaspace gekommen sind. Dabei wird viel wissenswertes unter den Tisch fallen. Aber die Geschichte von Medien und Ethik kann als Geschichte der westlichen Zivilisation gesehen werden. Dies ergibt eine interessante Zusammenschau, die aus anderen, weniger übergreifenden Standpunkten nicht möglich wäre.
Mit diesem Vorab-Artikel ziele ich auf ein Handbuch oder ein einfach zu erschließendes Online-Curriculum, aus dem drei Zielgruppen etwas ziehen könnten:
Also etwas wie: “The young Persons Guide to Medienethik”. Aufgaben wäre die ansprechende, sachlich richtige und doch kompakte Vermittlung von Geschichte, Aufgabe und Wichtigkeit der Medienethik. Weshalb das Thema gerade heute wichtig ist. Die Anleitung, wie man diese Ethik selbst anwendet und warum man eben auch einmal fünfe gerade sein lassen muss. Eine Literaturliste, die auf eigenes Lernen Lust macht.
Die Frage wäre dann eben auch, wo dieser Leser in spe steht: ist es ein Realschüler mit 16, oder ein Gymnasiast mit 19, ein Student mit 23 oder ein Berufseinsteiger mit 27 Jahren? Hm.
Medienethik kann dem Berufseinsteiger der Informationsbranche helfen, aufrecht und authentisch zu bleiben. Es kann ein richtiges und wichtiges Werkzeug sein, um eigene Handlungsspielräume besser zu veragumentieren und die Einschränkungen der Praxis eher anzuzweifeln.
Praktische Medienethik kann nämlich bedeuten, bessere Arbeitsbedingungen einzufordern ohne dabei blöd auszusehen. Der Grund dafür ist das philosophische Denken, das schon immer Begriffe genauer untersucht hat, Positionen und Begründungen kritischer hinterfragt hat.
Medienethik kann auch helfen, als Berufsneuling den abgebrühten Profis und alten Hasen in der Fachdiskussion gut zu begegnen. Medienethik, verankert in den Köpfen von Berufseinsteigern könnte “die Medienbranche” insgesamt menschlicher und ethischer machen. Wie soll das gehen?
Ein erster Schritt wäre, dass wir Älteren und Theorie-Erfahrenen, die Vorteile einer praktisch-belastbaren Medienethik den Neulingen der Branche vermitteln. Dass wir also praktische Medienethik auf einem Niveau erschließen, das Ethik als Werkzeug im täglichen Alltag nutzbar macht. Ein erster Schritt wäre ein Reader, der in Kürze aufklärt worum es geht, woher die Disziplin kommt und wie man sie praktisch einsetzen kann. So ein 50-Seiten-Taschenbuch etwa halb so groß wie etwa Mashup von Dirk von Gehlen, und mit ebenso viel Empathie geschrieben.
Meines Erachtens wird ein überwältigender Teil der Medienethik in rein akademischen Umgebungen und mit ebenso akademischen Fragestellungen getrieben. Das ist verständlich. Denn wer sich ernsthaft und professionell mit Medienethik beschäftigt, der ist meist in der Universität zu Hause. Und universitäre Debatten müssen ein gewisses Niveau, also einen entsprechenden Sprachgebrauch ausweisen, um innerhalb des geisteswissenschaftlichen Diskurses ernst genommen zu werden. Doch leider wird die Sprache dieses Diskurses von vielen Berufsneulingen nicht mehr verstanden. Dazu kommt, dass Medienethik selbst in großen Medienunternehmen kein Gesicht hat. Der SWR in Stuttgart etwa, immerhin ein 3000-Mann-Unternehmen hat keine/n Medienethiker/in explizit angestellt. Im Stuttgarter Haus haben aber – grobe Schätzung – die Hälfte aller Arbeitsplätze mit der Herstellung und Verbreitung von Rundfunk und Meinung zu tun.
Ein weiterer Grund für die Ausrichtung der medienethischen Diskussion kann ich nur vermuten: vielleicht ist man in den Lehrstühlen und Instituten eher auf Fragestellungen abonniert, die politische oder wirtschaftliche Förderungen versprechen? Just guessing. Eine Ausrichtung auf eine handfest-kompakte Grundlagen-Einführung in die Medienethik hin, gedacht als Rüstzeug für einen härter werdenden Medienalltag, wäre hier tatsächlich falsch, weil man erstens dort keine Fördermittel und Beratereinladungen bekommt und weil man an der Universität ja Nachwuchs für Führungspositionen aufbaut und nicht unbedingt das “Fußvolk am Mac” betreuen möchte.
(( to be continued))
Wie könnte der Praxis-Reader zur Medienethik aussehen?
www.bsmedien.musin.de/index.php/medienethik – Hier findet die Basis statt: an der Berufsschule für Medienberufe, München. Ein Kurs auch als Ersatz für den Religionsunterricht.
www.medienpaed.d Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur setzt sich als bundesweiter Fachverband der Bildung, Kultur und Medien für die Förderung von Medienpädagogik und Medienkompetenz ein.
Kontakt & Beitrag: Ich bin stets daran interessiert, die Thesen und Analysen dieses Artikels zu diskutieren, zu überdenken oder neue Ansichten dazu zu erhalten. Außerdem bleibt jeder Artikel auf seine Art unvollständig. Wenn Sie zu diesem Thema also eine Meinung oder Anregung haben, dann schreiben Sie mir
Über den Autor: Schreiber und Technischer Redakteur; Dozent für kreatives Schreiben und Medienethik an der privaten Medienakademie SAE Stuttgart. Meine mehr beruflich orientierte Webseite finden Sie unter clauswilcke.com
Kontakt
Impressum
post@clauswilcke.de
Text & Dokumentation durch www.clauswilcke.com